„Erfolgreich recherchieren: Germanistik“

Der Verlag De Gruyter hat mir freundlicherweise ein Dozenten-Exemplar des Germanistik-Bandes der neuen Reihe „Erfolgreich recherchieren“ zur Verfügung gestellt.
Zeitlich kommt das ganz passend: Ich habe vor kurzem die ULB-„Fach im Fokus“-Seite zur Germanistik überarbeitet und bin daher grad „drin im Thema“.

Ich will hier keine ausführliche Rezension verfassen, da ich nicht genug andere Ratgeber dieser Art kenne, um Vergleiche anstellen und den DeGruyter-Band in die „Recherche-Ratgeber-Landschaft“ einordnen zu können.
Ein paar Gedanken, die mir während der Lektüre kamen, seien hier aber festgehalten.

  • Die Bezeichnung der drei Abschnitte des Buches, „Basics, Advanced, Informationen weiterverarbeiten“, erscheint mir etwas inhomogen. Was „triadischeres“ fällt mir aber auf die Schnelle auch nicht ein.
  • Ist die Bezeichnung OPAC für Bibliothekskataloge wirklich noch aktuell? Die Abgrenzung Zettelkatalogelektronischer (Online-)Katalog, für die OPAC genutzt wurde, hat sich ja mittlerweile dahin verschoben, daß nicht mehr die elektronische, sondern die analoge Variante markiert wird (Katalog vs. Zettelkatalog).
    Vielleicht rührt mein Empfinden nur daher, daß wir in der ULB Münster schon vor Jahren OPAC durch ULB-Katalog ersetzt haben; ich finde aber, daß OPAC heutzutage ein vermeidbares Akronym ist.
  • Einige Abbildungen (keine Screenshots) (z.B. auf Seite 3 oder Seite 36) zeigen JPG-Artefakte oder andere Unschärfen. Sowas darf in einem Buch des Jahrgangs 2012, das zudem in einem renommierten Verlag erscheint, meiner Meinung nach nicht passieren.
  • Drill-down wird mit ‚Bohrung‘ übersetzt und die Nutzung von Drill-Down-Funktionen als „“Bohrung“ nach den relevantesten Treffern“. Hm. Finde ich nicht ganz überzeugend. Wo ist z.B. das Element down hin? Ich finde Übertragungen wie filtern oder eingrenzen passender.
  • Mich persönlich freut es natürlich, auf Seite 7 einen QR-Code zu entdecken. 🙂 Allerdings ist seine Größe recht knapp bemessen, sodaß nicht alle Reader-Apps ihn auslesen können.
  • Beim Thema Alert-Dienste werden RSS-Feeds zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert (auch später im Buch nicht). Da aber RSS-Feeds leider noch nicht zum Allgemeinwissen von Studierenden und Lehrenden gehören, wäre eine kurze Erklärung mit Anwendungsbeispielen sinnvoll gewesen.
  • Den Hinweis auf Dandelon hat mir diese nette Suchmaschine wieder in Erinnerung gerufen, und ich habe sie gleich bei den Linktipps auf meinen Fachinformationsseiten ergänzt. 🙂
  • Bei den bibliographischen Datenbanken hätte ich nicht die MLA als erstes angeführt, sondern sie erst nach BDSL, BLL(DB) und Gemanistik (Online) gesetzt. Aber das ist vermutlich Geschmackssache; solange alle vier auftauchen ist die Reihenfolge wohl nachrangig.
  • Bei der BDSL hätte man bei der Erläuterung der Systematik noch erwähnen können, daß man einzelne Klassen per RSS-Feed abonnieren kann und darüber benachrichtigt wird, wenn es Neuzugänge in der jeweiligen Klasse gibt. (By the way: Ich hoffe, daß diese Funktionalität auch in der BLL noch nachgerüstet wird.)
  • Gut gefällt mir im Kapitel „Tipps für die Recherche in Datenbanken“ der Hinweis „Versuchen Sie immer zu verstehen, weshalb Sie zu den angezeigten Treffern gekommen sind“. Da denken viele nämlich nicht drüber nach.
  • Sehr schön auch das Kapitel zur Suche in Klassifikationen, was ja leider auch ein viel zu unbekanntes Gebiet ist. [Und das sage ich nicht nur, weil ich mich gerade mit Aufstellungssystematiken beschäftige. :)]
    Allerdings hätte ich einen etwas aussagekräftigeren Screenshot als den kleinen Ausschnitt aus MelvilSearch verwendet.
  • Wichtig auch der Tipp, passende Treffer (Gantert nennt sie Goldkörnchen) zum Ausgangspunkt weiterer Recherchen zu machen. Allerdings könnte es sein, daß dieser im Systematik-Kapitel „versteckte“ Hinweis nicht die Aufmerksamkeit erhält, die ihm zustünde.
  • Aus dem gleichen Grund hätte ich die schön kompakten abschließenden Hinweise zu den vorgestellten Suchinstrumenten und ihren Besonderheiten in ein gesondertes Kapitel à la „Fazit“ odersowasähnliches gesetzt und nicht an das Klassifikationskapitel „drangehängt“.
  • Zwar wird beim Thema Zeitschriften das DOAJ erwähnt, aber was es mit Open Access auf sich hat, wird weder hier noch auf der im Register angegebenen Seite 65 erläutert. Das wäre aber notwendig, denn wie RSS-Feeds ist auch Open Access nicht jedem Germanisten bzw. Germanistik-Studierenden bekannt. (Und Open Access ist für die Wissenschaft noch wichtiger als RSS-Feeds.)
  • Erfreulich zu sehen, daß im Kapitel zu elektronischen Nachschlagewerken auch die Wikipedia erwähnt und fürs Zitieren der Hinweis auf das Abrufdatum gegeben wird. Ich würde ergänzend immer empfehlen, auch die Uhrzeit zu vermerken (Artikel können sich ja quasi minütlich ändern) und als Adresse den Permanenten Link (unter „Werkzeuge“ in der Navigation links) zu nutzen.
  • Bei den Wörterbüchern wird das Wiktionary erwähnt. Sehr schön!
  • Und auch Linkresolver werden an verschiedenen Stellen im Buch angesprochen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Erläuterungen dazu für jemanden, der damit bislang noch nichts zu tun hatte, ausreichen, aber immerhin ist ein Anfang gemacht.
  • Gibt es bei der Fernleihe wirklich keine Benachrichtigung, wenn eine „Nichterfüllbarkeit des Bestellwunschs“ vorliegt? (Ist mir schon länger nicht mehr passiert, daher weiß ich das nicht.)
  • Bei „E-Books-on-Demand“ könnte man drüber reden, aber Dokumentenlieferdienste würde ich nicht als „neue Form der überregionalen Litearturversorgung“ bezeichnen.
  • Was man noch ergänzen könnte: Mailinglisten (auf die Liste H-Germanistik wird zwar am Ende des Kapitels zur ViFa GiN kurz hingewiesen, aber das wars dann auch schon), weitere Web-2.0-Aspekte wie Wikis jenseits der Wikipedia oder Twitter, PaperC.
  • Beim Thema Zitieren wird die „amerikanische Zitierweise“ (wie lange sich diese Bezeichnung wohl noch halten wird?) mit Kurzbelegen à la „Müller 1995, S. 23“ immerhin erwähnt, wenn auch eingeschränkt: „In Deutschland werden sie vor allem bei der sprachwissenschaftlichen Forschungsliteratur verwendet.“ Direkt danach folgt dann: „In Deutschland ist die Fußnote die klassische Methode, um von einem Zitat im Text auf das verwendete Originaldokument zu verweisen.“ Hm. Man ist versucht, den Literaturwissenschaftlern zuzurufen: „Traut euch! Die Kurzzitierweise tut nicht weh, und sie ist handlicher als das Fußnotengewusel! Und man kann sogar das „S.“ weglassen und „Müller 1995:23″ setzen, dann wirds noch handlicher!“ 🙂
  • Statt ein eigenes Glossar zu erstellen, wird auf das unter www.informationskompetenz.de verwiesen. Gute Idee.
  • Ein kleines Detail: Ich hätte bei den Verweisen auf andere Kapitel das „siehe unten“ und „siehe oben“ weggelassen. Zum einen finde ich es aufgrund der häufigen Verweise etwas „viel“, zum anderen können dadurch unnötige Fehler wie „s. u. S. 5“ auf Seite 33 entstehen.
  • Die Gestaltung des Bandes finde ich ansprechend. Die Marginalien sorgen für Übersichtlichkeit, hätten aber angesichts des großen Seitenrandes außen durchaus noch größer ausfallen können; einige Logos hätten dann etwas größer und damit besser erkenbar dargestellt werden können. (Vielleicht ist der große Seitenrand als „Raum für Notizen“ gedacht, aber ich glaube nicht, daß in Büchern dieser Art viel notiert wird.)
  • Alles in allem gefällt mir der Band gut und ich hoffe, daß er vielen Germanistik-Studierenden eine Hilfe sein wird.
    Und daß er regelmäßig überarbeitet und aktualisiert wird! 🙂

    Zu guter Letzt sei hier noch ein Auszug aus dem gleichnamigen letzten Kapitel des Buches wiedergegeben, das das Motto, das dem Vorwort vorangestellt ist, wieder aufgreift und an die Entdeckerfreude der Leser appelliert:

    Findet, so werdet ihr suchen„. Mit diesem Zitat, das Achim von Arnim den Brüdern Grimm 1808 ins Stammbuch schrieb, beginnt dieses Buch. Sehr pointiert drückt diese Umkehrung der bekannten Stelle des Matthäus-Evangliums (7,7) aus, was erfolgreiches Recherchieren im wissenschaftlichen Kontext sein kann. Erfolgreiches Recherchieren kann den Weg öffnen zu neuen Fraegn und Erkenntnissen, zu neuen Querverbindungen und Perspektiven. Und gute Rechercheergebnisse wecken das Interesse an neuen Recherchen, neuen Suchstrategien und unbekannten Informationsressourcen.

    [Gantert, Klaus (2012): Erfolgreich recherchieren: Germanistik. Berlin/Boston: de Gruyter. (= Erfolgreich Recherchieren.) S. [108].]

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

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